Hoffmeisters Wheelie-Guide

Was Sie schon immer über's Hinterradfahren wissen wollten und nicht zu fragen wagten.

 beta Techno 250, Megafete 2000@.at

 Honda XL 185 S, ICE-Baustelle Bad Camberg

 Suzuki DR350, Bad Camberg-Erbach (Spießerwohngegend :-)

 

Nachdem immer wieder die Frage gestellt wird, wie man dolle Wheelies hinbekommt, was für ein Motorrad man dazu braucht und wie man Stürze vermeidet, habe ich mir gedacht, das gesammelte Wissen in diesem Wheelie-Guide zusammenzutragen.
Cheftheoretiker, der ich bin, habe ich meine eigenen bescheidenen Erfahrungen mit dem zusammengeführt, was ich im Laufe der Jahre an theoretischem Wissen kumuliert habe. 

 

Wheelie-machine
- Was für ein Untersatz ist geeignet? 

 

Warum es wichtig ist, den Fuß in Bremsbereitschaft zu halten...

Ob und wie gut ein Motorrad (oder auch Roller) geeignet ist, um Wheelies damit zu veranstalten, ist weniger eine Frage der Leistung als eine Frage der Geometrie, der Reifengröße und des Schwerpunktes. Das Gewicht ist insbesondere im Anfangsstadium wichtig: Wenn das Mopped nicht arg schwer ist, kann man auch mal einen verunglückten Wheelie abfangen.

Am einfachsten geht das Hinterradfahren mit einer Trial-Maschine, da hier einige positive Faktoren zusammenkommen:
- Geringes Gewicht (unter 90kg), dadurch einerseits starker Einfluß des eigenen Körpergewichts auf den Schwerpunkt, andererseits gute Kontrollierbarkeit und geringes Verletzungsrisiko, wenn's mal zu weit geht
- Aus niedrigen Drehzahlen bärenstarker Motor (20PS genügen!), dadurch braucht man keine Kupplungsspielereien zu machen, sondern kann sich voll auf Gasgriffstellung und Körperbalance  konzentrieren.
- Meist vollkommen unterdämpfte Gabel, die die "Wipp-Bewegung" zum Einleiten eines Wheelies hervorragend unterstützt. 

Allerdings sollte man die kleinen Dinger nicht unterschätzen, besonders wichtig ist, die Armstellung zu kontrollieren und darauf zu achten, nicht unabsichtlich am (Kurzhub-!) Gasgriff zu drehen. Sonst zeigt der wirklich mächtig kräftig antretende Motor einem schnell, wer mehr Potenz hat... Auch die ziemlich weit vorne liegende Fußbrems-Hebelei ist gewöhnungsbedürftig zu erreichen.

Die nächstbesten Wheelie-Maschinen sind wohl Supermoto-Kräder. Durch die kleinen Räder wird der hohe Schwerpunkt hervorragend in ein entsprechendes Drehmoment um die Hinterachse umgewandelt. Enduros haben es da etwas schwieriger, wegen des größeren Hinterrades. Geht aber auch super, klar.

Etwas diffiziler gestaltet sich das Wheeliesieren mit schwächeren Supersportlern und extrem viel Gewicht auf dem Vorderrad. Und als am wenigsten geeignet bezeichnen würde ich Harleys und anderes Dschobber-Gelump, aber hier geht's ja um Motorräder, nicht um solche zweirädrigen Krankheiten.

Motorleistung ist übrigens kein Kriterium für die Frage, ob ein Wheelie machbar ist. Eine Honda XL 185 S zum Beispiel hat 17PS und läßt sich spitzenmäßig aufs Hinterrad stellen - viel besser als eine FZR 600R mit 98 PS zum Beispiel. Natürlich ist mehr Leistung aber immer gut, vor allem, wenn man sie brauchbar dosieren kann. 
Aber es gibt auch Automatik-Roller, mit denen man vortrefflich wheelisieren kann, allerdings sind die stabilisierenden Kreiselkräfte der kleinen Räder recht gering, was zu sorgfältiger Vorgehensweise zwingt. 

 

Wie geht's?
- was man beim Wheeliesieren beachten sollte

 Wie macht man nun einen Wheelie?

Nun, was nötig ist, hängt wieder ein wenig vom Untersatz ab. Immer beachten sollte man aber, daß man den Fuß über der Hinterradbremse läßt (bei Automatik-Rollern etwas einfacher), damit man im Notfall das schlimmste verhindern kann.

Nehmen wir mal als erstes Beispiel ein schwächliches aber leichtes Motorrad wie die Honda im Bild rechts. Hier muß man vor allem mit dem Körpergewicht arbeiten, um den Schwerpunkt nach oben und hinten zu verlagern. Am einfachsten geht das, indem man sich in die Rasten stellt.
Um die Honda aufs Hinterrad zu stellen, hilft es, wenn man alle verfügbaren Kräfte und Trägheitsmomente ausnutzt. Ein ruckartiges Eintauchen der Gabel und direkt anschließendes Gasaufreißen und nach hinten lehnen bringt den gewünschten Effekt. Aber der Reihe nach: 
- Langsam Fahrt aufnehmen und in die Rasten stellen, zweiten Gang rein und den Fuß über dem Bremshebel positionieren
- Bei mittlerer Drehzahl (da, wo schon Leistung kommt, aber noch unter dem Zenit) ruckartig mit Druck durch den Oberkörper die Gabel nach unten drücken/zusammenstauchen.
Dann gleichzeitig mit der Ausfederbewegung ordentlich Gas geben und den Oberkörper etwas nach hinten lehnen und mit den Armen am Lenker ziehen. Hierbei ist es wichtig, den inneren Schweinehund etwas zu überwinden (aber nicht zu weit!), um sich beim Steigen des Vorderrades nicht gleich wieder nach vorne zu beugen und den Wheelie so im Keim zu ersticken. Wohlgemerkt, wir reden gerade von leichten, schwächlichen Motorrädern!
Mit weiter steigendem Vorderrad auch den Lenker zur Brust ziehen, bis der obere Totpunkt erreicht ist (zur Sicherheit aber erstmal etwas weiter vorne abbrechen ;-).
- Ist der obere Totpunkt nahe oder schon überschritten, durch Betätigung der Hinterradbremse den Wheelie kontrollieren. Auch am Anfang, wenn man das eigentlich noch nicht braucht, unbedingt diesen Schritt üben, damit man ihn im Notfall draufhat.

Das alles ist ein schwieriger Prozeß und braucht viel Übung, um ein sicheres Gefühl zu bekommen. ACHTUNG! Selbst "Profis" unterläuft manchmal ein Fehler, der schmerzhaft und teuer enden kann. Natürlich übernehme ich KEINE HAFTUNG für diese Schilderungen hier! Jeder ist für sich selbst verantwortlich!

Anderes Beispiel: Stärkeres Motorrad und sitzender Wheelie
Mit etwas mehr Leistung und hohem Schwerpunkt kann man auf die "Nickbewegung" schon verzichten und, ganz gemütlich, auch im Sitzen wheeliesieren. Dafür braucht's zum Beispiel gerade mal die 30PS einer Suzuki DR 350.
Am besten geht's wieder im zweiten Gang, man sucht sich ein lauschiges Plätzchen schön weit hinten auf der Sitzbank und achtet wieder darauf, den Fuß über dem Fußbremshebel in Bereitschaft zu haben. Ein vollgeladenes Topcase oder eine (furchtlose) Sozia erleichtern das Wheeliesieren übrigens ungemein, vor allem auf frontlastigen Motorrädern!
 Nun gibt man bei mittlerer Drehzahl wieder ordentlich Gas und zieht, wie oben beschrieben, den Lenker nach hinten. ACHTUNG: Je mehr Leistung, desto schneller steigt das Vorderrad, vor allem, wenn der Motor in leistungsfördernde Drehzahlen kommt! Hier heißt es also Obacht geben und ggfs. etwas Gas nachlassen. Wenn's zu hoch hinaus geht, wieder bewußt die Fußbremse einsetzen.
Je "günstiger" die Voraussetzungen des Motorrades sind, desto weniger muß man nach hinten rutschen oder am Lenker zerren. Ich hatte mal das Vergnügen, mit einer WR360 Supermoto einen Feldweg hoch und runter zu braten, da hat es sogar gereicht, ganz vorne zu sitzen und selbst im vierten Gang ging das Teil noch brutal aufs Hinterrad.

17PS und ein bißchen Bewegung reichen!


 

Geht auch mit ner FZRR, allerdings nur mit Kupplungseinsatz und nur was für Könner. Also noch nix für mich...

Dos und Don'ts
- Was sonst noch zu beachten ist

Kupplungs-Wheelies...
...sind  zwar die einfachste (und bei manchen Motorrädern auch die einzige) Möglichkeit, ein Motorrad aufs Hinterbein zu zwingen, dafür aber am schwersten zu kontrollieren und deswegen am gefährlichsten. Das Vorderrad steigt dabei sehr schnell, und der Übergang zum vollständigen Einkuppeln und oben halten wird sehr schwierig.

gefährlich...
...sind Wheelies immer, egal wieviel Erfahrung man hat. Also lieber einmal zu oft den inneren Schweinehund das Gas zudrehen lassen, als einmal zu wenig. Übliche Verletzungen sind Steißbeinprellungen, bei Cross-Klamotten "Pavian-Hintern" und Rahmenschäden am Motorrad. Besonders bei Supersportlern wird ein mißglückter Wheelie schnell SEHR teuer.

  verboten...
...sind  Wheelies im öffentlichen Straßenverkehr leider auch. Zwar gibt es keinen ausdrücklichen Paragraphen in der StVO, aber es sind schon viele Wheelisierer wegen "Nichtbeherrschen des Fahrzeugs" mit einem Bußgeld belegt worden. Das verstehe einer die Ordnungskräfte... Ich hab' mit einem ordentlichen Ampel-Stoppie aber schonmal positive Erfahrungen gemacht: Die aus einer Seitenstraße abzweigenden Polizisten haben mir nur freundlich entgegengegrinst :-)

  Kardanwheelies...
gibt es nur in Bielefeld und Photoshop. Wer das nicht glaubt, möge die weithin bekannte Primärliteratur  hierzu studieren.

 

 

So, und jetzt fleißig üben!